Babe Eighteen

Kot oder Knutschen?

In einem kurzen, schwarzen Kleid steht sie direkt vor mir. Die dunklen Nylonstrumpfhosen schmiegen sich an ihre Beine, die in einem Paar lackglänzender Ankle Boots enden.

    “Wow, I never met a German girl before”, haucht sie mir in mein Ohr und lächelt mich an, um anschließend ihre Lippen wie ein samtrotes Kissen an das Cocktailglas zu heften, das sie in ihren schlanken Fingern hält. Ihre Fingernägel sind dunkel lackiert; sie reflektieren das Discolicht ebenso wie ihre Augen, die wie eine große, schwarze Sonne leuchten. Ich bin in ihrem Bann. In ihrem Gravitationsfeld gefangen. Sodass ich gar nicht verstehe, was sie mir sagt.

    “What?“, entgegne ich peinlich. Sie lächelt.

    “I never met a German girl before!“, ruft sie. Doch rufen ist untertrieben: Eigentlich ist es ein Schreien, denn wir sind in einem VIP-Bereich in einem der vielen auf teuer gemachten All-You-Can-Drink-Clubs in Taiwan. Auf der Tanzfläche ziehen sich junge Taiwanesinnen vor der grölenden Menge aus, aus den Lautsprechern dröhnt ein beschissener Party-Hip-Hop-Song nach dem anderen in katastrophalem Lärm und aus den Zapfanlagen strömt gefälschter Markenalkohol. Mein Kumpel, mit dem ich in den Club gekommen bin, liegt in einem Séparée und glotzt gelangweilt zu mir her. Ein ziemlich schrecklicher Laden, in den er mich da mitgeschleift hat. Aber man muss ja das Positive sehen – und das steht jetzt direkt vor mir und trinkt gerade aus dem Cocktailglas.

    Also lächle ich zurück. Sie streicht sich ihr Haar zurück, so als würde sie den Vorhang für eine Theaterbühne zur Seite schieben, und wirft mir einen Blick zu, der direkt in meinen Körper dringt. Mein Magen wird warm. Ich finde sie unfassbar schön. So schön, dass ich mit ihr aus diesem fürchterlichen Club abhauen will, ganz weit weg, nur mit ihr, eng umschlungen, ihr Gesicht ganz nah an meinem, und ihr tief in diese Augen schauen. Aber das kann ich ihr ja nicht so direkt sagen.

    “Was soll ich tun, was soll ich sagen?“, brüllt mein vor Leidenschaft übervolles Hirn.

    “Ah really!“, stammelt mein Mund.

    “Du Idiotin!“, brüllt wieder mein Gehirn.

Sie nickt verlegen. Sie wartet. Die Sekunden verstreichen. Ewig lang. Ihr Blick auf mich gerichtet. Ich drehe durch.

    “Holy Mary!”, brülle ich meine Unsicherheit an und frage sie mit einem viel zu lauten und daher viel zu unvorteilhaftem, bei der brachialen Lautstärke im Club aber notwendigen Schreien zurück:

    “And… have you ever kissed a German girl before?”

Sie lacht und schüttelt ihren Kopf.

    “Damn!”, schreit mein Gehirn wieder, “Das war’s jetzt!”

Doch dann säuselt sie mir schreiend ins Ohr:

    “Not yet”, zusammen mit einem unzweideutigen Blick.

    Also nippe ich am Drink und setze ihn zusammen mit meiner Hand auffordernd, aber nicht einnehmend direkt neben ihr auf der Bar ab. Sie dreht sich leicht zu mir. Ich mich zu ihr. Mein Kopf schiebt sich zu ihrem, eine Gravitation zieht mich in ihren Bann, so schnell, so langsam. Unsere Lippen berühren sich, eine Supernova, so warm, so wunderschön. Wir betasten einander, entdecken unsere Münder, unsere Zungen, unsere Hände. Es wird still um uns.

    Nach einem ewigen Augenblick lassen wir voneinander ab. Ein Sternennebel weht um uns. Ich glühe vor Euphorie. Mit einem Lächeln über dem ganzen Gesicht. Doch gerade, als ich ihr etwas ins Ohr schreiflüstern möchte, spüre ich plötzlich ein starkes, unangenehmes Drücken in meinem Bauch, das sich in Sekundenbruchteilen in Richtung Enddarm vorschiebt.

    “Oh nein!“, ruft mein Verstand.

    Ich hoffe, dass es nur ein kleiner Pups ist, aber sofort alarmiert mich mein Körper:

    “Durchfall!“

    “Oh Shit, bitte nicht jetzt!”, flehe ich innerlich und spanne meinen Schließmuskel an, um die vordrückende Masse im Darm zu lassen – aber ohne Chance. Ich spüre, dass ich mich gleich einsauen werde, wenn ich nicht sofort einen Klobesuch unternehme. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, lächle kurz und raune ihr ein möglichst erotisch klingendes “Umm… I have to see the bathroom” entgegen. Meinen schlecht gepantschten Singapore Sling stelle ich demonstrativ auf der Bar ab, um ihr zu signalisieren, dass ich das mit dem “Be right back!”, das ich hinterherwerfe, auch ernst meine. Im Vorbeigehen streiche ich mit meiner Hand über ihren Arm und schaue sie geheimnisvoll an. Sie dreht sich zu mir um und schaut mir vielsagend hinterher.

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