Ich wache auf und liege im Bett.

Mir geht es schlecht.

Angst und Sorgen machen sich in meinem Kopf breit.

Zweifel, Furcht.

Ein unbestimmtes, schreckliches Angstgefühl, beklemmend und betrübend.

Ich habe Depressionen.

Und das sage ich nicht nur, weil das jetzt ja irgendwie en Vogue zu sein scheint, man kann da ja jetzt drüber schreiben, man kann ja jetzt damit Content machen und sich damit profilieren.

Schaut mich an, wie schlecht es mir geht!

Ich sage das, weil ich dieses Gefühl der Beklommenheit, der ungewissen Angst, der Minderwertigkeit, des Selbsthasses schon mein Leben lang kenne. Ich habe auch zwei Therapien gemacht. Deswegen. Und nein, es ist nicht einfach “schlecht gelaunt” sein.

Depressionen, das ist ein Trichter, wenn man einmal da hineingekommen ist, dann kommt man nicht mehr so schnell raus.

Weil man das nicht will.

Weil sich der freie Fall so schön anfühlt, sich im Selbstmitleid zu suhlen wie ein Schwein, die Welt zu beklagen, sein Schicksal, die Welt zu hassen, alles und jeden zu hassen, zu jammern und sich zu verkriechen. Es fühlt sich so schön an, sich schlecht zu fühlen, doch dummerweise fühlt man sich danach noch viel schlechter. 

Das ist das Schlechte.

Das Gute: Irgendwann hört das wieder auf.

Irgendwann hört dieser Gedankenstrudel auf, lichtet sich der Nebel, weicht die Nacht dem Tage. Wobei ich persönlich diesen Vergleich nicht mag. Denn ich fühle mich auch beschissen, wenn die Sonne scheint. Und manchmal fühle ich mich richtig gut, wenn es tiefste Nacht ist.

Wie kommt man raus aus diesem Strudel? Aus diesem Sog aus schwerem Teer?

Vielleicht, indem man das Smartphone anmacht?

Der grelle Schein des mechanischen Displays blendet.

Ich scrolle über Instagram- und Facebook Feeds. Oder Tinder, wenn es ganz schlimm um mich bestellt ist.

Und dort lauern sie.

Dort fallen sie über mich her.

Dort matern mich ihre zynischen Sprüche:

“Smiley, and the world smiles with you. Cry, and you cry alone”

“Do more of what makes you happy”

“Liebe dich selbst und du wirst Liebe erhalten”

Könnt ihr euch diese Situation vorstellen?

Wie ich mit meinem Smartphone im Bett liege, grauenvollen Selbsthassgedanken nachgehe und dann einen Spruch lese:

“Do what you Love”

Es ist, als würden mich diese Sprüche auslachen.

Als wollten sie sagen:

“Da, du Versager! Uns geht’s gut und dir nicht!” (Do What you love)

Es ist zum Kotzen.

Was sind diese Sprüche? 

Sie bezeichnen (oder werden so von deren Verfechtern als solche bezeichnet) sich als “Positive Affirmationen”.

Der Gedanke dahinter: Je öfter man sagt, dass es einem gut geht, desto besser geht es einem.

Das Problem daran: Wenn ich mit einer qualvollen Morgendepression im Bett liege und den Spruch “Every day starts with you” lese, komme ich mir verhöhnt vor. Wie Schadenfreude klingt dann der Spruch. Wie ein “Arbeit macht frei”.

Das zweite Problem: Sie haben Recht.

Denn, ja, leider, bringt es einem ja nichts, wenn man sich in seine Depressionen vergräbt. Wenn man seinen Schmerz weiter aushöhlt, ihn aufbläst, ihn schlimmer macht. Sich beschwert. Sodass die Schwere unerträglich wird.

Wer hat was davon? Es gibt keinen Wettbewerb im sich-schlecht-fühlen.

Tja, leicht geschrieben, schwer getan.

Denn aus diesem Trichter kommt man eben auch nicht raus, wenn man sich sagt “Hey, hör auf damit!”

Wer einmal Zwangsgedanken hatte, der wird mir Recht geben, dass es mit einem einfachen “Schluss jetzt!” nicht getan ist.

Was hilft dann?

Ich habe leider (noch) keine ultimative Anleitung darauf, sonst hätte ich meine zwei Bücher “D***** für Depressive” und “*****, aber glücklich” schon längst geschrieben (ich werde sie aber noch schreiben, deshalb kann ich die Titel hier nicht ausschreiben ;).

Was ich aber glaube, was hilft:

Ablenkung. Fast egal, mit was. Kochvideos oder Speedruns auf YouTube schauen, Scrabble spielen oder etwas lesen. Hauptsache, man geht nicht den selbstzerstörerischen Gedanken nach. (Das empfiehlt übrigens auch Stefanie Stahl, eine sehr gute Psychologin und Autorin eines ausgezeichneten Psycho-Selbsthilfe Buchs)

Achtsamkeitstraining. Zumindest hat mir das was geholfen, meine Zwangsgedanken (vor allem vor dem Einschlafen) in den griff zu kriegen.

Was auf jeden fall nicht hilft: Sich im ganzen Haus Sp*sti-Sprüche aufzuhängen, wie “Whatever you want to do, you can do it!” Das ist nämlich der Irrglaube unserer Kapitalismusgesellschaft: Dass wir denken, wir könnten alles erreichen. Und dann enttäuscht sind, wenn wir “nur” ein Lehrer oder Sozialarbeiter oder Call-Center-Mitarbeiter oder einfach nur ein guter Mensch sind.

Klar – gute, positive Gedanken sind wichtig. Ich bin gerne positiv und gut gelaunt. Ich lache gerne wie ein Kind (am liebsten ganz laut und am allerliebsten in Restaurants). Wenn es mir gut geht, dann bin ich fairer zu anderen, gönnerhaft, fürsorglich, kreativ, produktiv, genügsam usw.

Aber das geht halt nicht einfach durch einen Spruch. Man kann eben nicht einfach Glück aus einer Tasse trinken, auf der steht „A postive day begins with you“ – auch wenn das vielleicht stimmen mag.

Daher meine Abneigung gegenüber diesen ganzen “Positiven Sprüchen”.

Liebe,

Frank

[Ach, ist das nicht lustig? Gerade wollte ich “kurz” an mein Handy gehen, um nachzuschauen, ob mir jemand geschrieben hat… und schon bin ich wieder in der Deprischleife! Haha]