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Qi entweicht – und fließt ab

    Mit guten Drogen ist es wie bei einer Achterbahnfahrt: Es fängt ganz langsam an; man wird sachte hochgezogen, dann kommt der First Drop, dann eine wilde Fahrt, am Ende ein sanftes Ausrollen. Also tanzen wir nicht, sondern gleiten durch den Raum. Wir springen auf den Noten, schmiegen uns an den Beat, reiten auf dem Bass. Eine universelle Wärme durchdringt uns. Unsere Augen werden zu Herzen. Die Organe verschmelzen zu einem heißen Ozean aus Liebe. Mark und Bein lachen vor Freude. Wir sind im Epizentrum eines wilden Orkans, der uns bis in die Unendlichkeit trägt.
    Doch schon bald merke ich: Das waren keine guten Drogen, ganz und gar nicht. Denn nach ein paar Minuten ist das keine gute Achterbahn mehr, sondern eher Freefalltower meets Kleinstadtkirmesboxautoschlägerei. Auf einmal wird aus dem warmen Ozean ein kalter Tümpel. Ich spüre, wie mein Herz wie wild galoppiert, mein Blickfeld sich zu einem engen, tanzenden Tunnel verengt, mein Magen unendlich schwer wird. Ich springe nicht mehr über goldene Noten, sondern werde von einem schrecklichen Monster angefaucht. Ein Blitzkrieg tobt in meinem Kopf, die zuckenden Lichter schießen mir wie Stacheldraht in meine Augen, jeder Knall der Bassdrum ist eine Detonation in meinen Ohren. Zeitverlangsamt streckt sich meine Hand nach meinem Kumpel aus, der noch so aufnahmefähig ist, dass er mein pulverbleiches und kaltgeschwitztes Gesicht richtig deuten kann und mich in Sicherheit bringt.

 

Sicherheit, das ist für ihn das Klo. Und zwar das gleiche wie vorhin. Das Jungsklo, die Kabine ganz rechts. Er setzt mich auf den runtergeklappten Klositz – beziehungsweise: Er lässt mich drauffallen.

    “Alles okay?”, schreit er mich mit aufgerissenen Augen an. Anstatt ihm auf diese saublöde Frage zu antworten, verdrehe ich meine Augen. Ich schnaufe schwer, schwindle heftig und schwitze stark. Ich muss ziemlich fertig aussehen. Aber darüber kann ich mir gerade keine Sorgen machen, so schlecht fühle ich mich. Zum Glück macht sich mein Kokskomplize aber schon genug Sorgen:

    “Ruhig atmen!”, ruft er mir verzweifelt entgegen. Die Musik hämmert weiterhin viel zu laut um uns herum.

    “Atme einfach ganz ruihig”, brüllt er mir in mein Ohr. Damit ich das auch richtig verstehe, macht er es mir vor und fasst sich dabei an die Brust. Ich stöhne.

    “Oh Gott!”, keucht eine Stimme in mir, “Oh Goootttt… warum… schon wieder… zu viel…?”

    Mein Kopf karusselliert, dröhnt und schlingert. Ich schließe die Augen. Ich habe Angst. Ich bekomme keine Luft! Panik!

    Dann reiße ich die Augen auf und sehe die merkwürdigen Atembewegungen meines Kumpels. Intuitiv folge ich ihm:

    “Einatmen! Ausatmen!”, befiehlt mir mein Überlebensinstinkt, und mit aller Kraft sauge ich meine Lungen voll und lasse die Luft wieder herausströmen. Das Karussell wird langsamer, die Explosionen hören auf, der Horrortrip hält für eine Millisekunde an. Doch dann haut mir eine Geisterhand in meinen Magen, und alles geht wieder von vorne los. Also nochmal: ausatmen – und einatmen. Diesmal will ich so tief einatmen wie noch nie zuvor in meinem Leben:

    “Bitte, Qi, steh mir bei!”, bete ich mantraartig.

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